

«Assassin's Creed: Shadows»: ein wunderschönes, aber repetitives Samurai-Abenteuer
«Assassin's Creed: Shadows» begeistert mit der schönsten Open World, die ich je gesehen habe. Spielerisch kann das Game nicht mit dem hohen Niveau der Spielwelt mithalten.
Was sich viele «Assassin's Creed»-Fans jahrelang gewünscht haben, wird endlich wahr: Die Meuchelmörder-Serie bekommt einen Ableger im feudalen Japan.
In «Assassin's Creed: Shadows» übernehme ich die Rolle des schwarzen Samurai Yasuke und der Shinobi Naoe. Zusammen kämpft das ungleiche Paar in der späten Sengoku-Periode gegen eine machthungrige und mörderische Schattenorganisation.
Das historische Abenteuer überzeugt vor allem mit seiner epischen Inszenierung und der wunderschönen Kulisse. Ein bisschen mehr Abwechslung und Substanz hinter dem Spektakel hätten dem Spiel gutgetan.
Zerstückeltes Storytelling ohne Highlights
Die Story von «Assassin's Creed: Shadows» packt mich während des rund 45-stündigen Abenteuers nicht. Yasukes Werdegang vom portugiesischen Sklaven zum japanischen Samurai wird nur oberflächlich angeschnitten. Auch das Potenzial von Naoes Geschichte und ihrem unterdrückten Dorf Iga schöpft das Spiel nie aus.

Die Erzählstruktur ist mit zahlreichen Rückblenden und Zeitsprüngen unnötig zerstückelt und kompliziert. Die Motivationen der Charaktere – unter anderem, wieso sich die ursprünglichen Feinde Yasuke und Naoe überhaupt zusammenschliessen – werden nur unzureichend oder zu spät erklärt.
Auch die Gründe, wieso ich im Spielverlauf Dutzende von Menschen ermorden muss, kann ich mir aufgrund der repetitiven Missionen nicht merken. Immer wieder vergesse ich, wieso ich gerade diesen Fürsten in dieser Burg töten muss. Schliesslich habe ich zuvor schon zwanzig andere Fürsten in zwanzig anderen Burgen ermordet.
So verkommt die Geschichte zu einem unübersichtlichen und substanzlosen Mischmasch, ohne grosse Highlights, nennenswerte Charaktere oder spannende Twists.

Die vielleicht schönste Open World aller Zeiten
Dass mich die Story nicht überzeugt, kann ich gut verschmerzen. Denn der grosse Star von «Assassin's Creed: Shadows» sind nicht die zwei Protagonisten, sondern die Spielwelt. Die ist serientypisch verdammt gross, jedoch nicht so gigantisch wie noch in «Assassin's Creed: Valhalla».
Während ich mit meinem Pferd durch idyllische Reisfelder galoppiere oder zu Fuss steinige Berge erklimme, komme ich aus dem Staunen nicht mehr raus. Es ist die vielleicht schönste Open World, die ich je in einem Spiel gesehen habe.

Besonders beeindruckend ist die dichte Vegetation, die sowohl kleine Dörfer als auch grosse Siedlungen wie Kyoto umgibt. Bei Stürmen neigen sich Bäume realistisch im Wind und weitläufige Grasfelder tanzen im Rhythmus des Unwetters. Manchmal bleibe ich inmitten der üppigen Wildnis stehen und sauge die Atmosphäre minutenlang auf.

Aber auch in der Zivilisation überzeugt die Grafik. In den belebten Gassen ist viel los. NPCs gehen ihrem Alltag nach, Kinder spielen auf der Strasse und zuckersüsse Shiba-Inus sowie Akitas rennen wild umher (ja, du kannst die Hunde streicheln).
Auch die Weitsicht ist beeindruckend. Erklimme ich einen der zahlreichen Aussichtspunkte, sehe ich ohne grosse Detailverluste kilometerweit in die Ferne. Wow.

Dank des neuen Jahreszeitensystems verändert sich die Szenerie in regelmässigen Abständen. Während im Frühling vielerorts rosafarbene Kirschblütenblätter die Landschaft dominieren, liegt im Winter vor allem in höheren Gebieten eine dicke Schneedecke.
Die unterschiedlichen Jahreszeiten wirken sich mit gefrorenen Gewässern oder wechselnder Vegetationsdichte theoretisch auch auf das Gameplay aus. In der Praxis merke ich davon aber wenig – die Jahreszeiten sind vor allem ein visuelles Gimmick.

Trotz grafisch aufwändiger Inszenierung stimmt auch die Performance. Ich spiele die PS5-Pro-Version. Im Balanced-Modus läuft diese bei maximalen Details und Raytracing mit stabilen 40 Bildern pro Sekunde. Eine Ausnahme stellt das Hauptquartier meiner Assassine (dazu weiter unten mehr) dar, das die PS5 Pro in die Knie zwingt.
Generell fühlt sich «Assassin's Creed: Shadows» technisch poliert an – die Verschiebungen scheinen dem Game gutgetan zu haben. Gemessen an der Grösse der Spielwelt habe ich fast keine Bugs und visuelle Glitches erlebt. So muss das sein!
Weniger Map-Symbole, viel Wiederholung
Für «Assassin's Creed: Shadows» hat Ubisoft vor der Veröffentlichung weniger Symbole und Questmarker auf der Map versprochen. Das Entdecken der Spielwelt solle organischer als in vorherigen Teilen funktionieren.
Dieses Versprechen wurde grösstenteils eingelöst. Erklimme ich einen der zahlreichen Aussichtstürme, werde ich nicht mehr von einer Lawine an Aktivitäten auf der Map verschüttet – stattdessen leitet mich das Spiel mit «?»-Markierungen sanfter zu spannenden Locations. Das Überfliegen der Spielwelt mit einem Adler wurde ebenfalls gestrichen. Naoe und Yasuke müssen die Umgebung eigenhändig nach Missionszielen, Schätzen und Informationen absuchen.

Auch Questmarkierungen muss ich mir zunächst verdienen. Der genaue Aufenthaltsort meines nächsten Mordziels wird nur mit kryptischen Hinweisen angedeutet. Mithilfe von Spähern kann ich Teile der Map untersuchen, in denen ich vermute, dass sich die Zielperson befindet, um meinen Suchradius einzuschränken. Den Einsatz der Späher sollte ich mir gut überlegen, denn es braucht eine Weile, bis sie nach einer Untersuchung wieder einsatzfähig sind.

Die organischere Erkundung entspricht eigentlich genau meinem Open-World-Geschmack. Und trotzdem verspüre ich nach rund fünfzehn Spielstunden nur noch wenig Drang, die Spielwelt zu erforschen. Dies vor allem, weil sich viele Aktivitäten und Locations zu ähnlich sind.
Egal, ob ich der Hauptquest folge oder eine Nebenmission starte – meist muss ich irgendein Anwesen oder eine Burg infiltrieren und jemanden ermorden oder etwas stehlen. Bevor ich das tun kann, reise ich oft von einem Ort zum nächsten, um Informationen über das Ziel zu sammeln. Das macht zwar einige Zeit Spass, aber spätestens nach der zwanzigsten Mission mit dem identischen Ablauf habe ich genug gesehen.

Auch die Nebenaktivitäten bieten nicht viel Abwechslung. Einige Ideen finde ich durchaus interessant, weil sie aus dem Muster vergleichbarer Open-World-Minispiele ausbrechen und mich zu Momenten der Stille zwingen. So zum Beispiel, wenn ich mich an wilde Tiere heranschleiche, um sie zu zeichnen, oder in Tempeln bete, um Skills freizuschalten. Aber auch diese speziellen Momente verlieren nach der gefühlt hundertsten Wiederholung ihren Reiz.

Aus dem Schatten heraus, oder mit dem Kopf durch die Wand
Auf meiner blutigen Reise durch das feudale Japan steuere ich entweder Naoe oder Yasuke. Zwischen beiden Spielfiguren wechsle ich via Menü hin und her. Die zwei verkörpern die Extreme des «Assassin's Creed»-Gameplays: Stealth und Action.
Die Shinobi Naoe rennt und hüpft elegant durch die Spielwelt. Mit ihrem Enterhaken klettert sie Häuserfassaden und sonstige vertikale Hindernisse problemlos hoch. In den Missionen eignet sie sich für eine dezente Herangehensweise. Mit ihr infiltriere ich heimlich feindliche Gebiete und ermorde Feinde geräuschlos.
Das Stealth-Gameplay wurde um zwei grosse Änderungen erweitert. Ich kann mich neu in der Bauchlage bewegen und bleibe so in hohem Gras komplett unsichtbar. «Shadows» schneidet sich zudem eine Scheibe von «Splinter Cell» ab: Im Schatten sehen mich Feinde schlechter oder gar nicht. Mit meinen Shuriken lösche ich Laternen und Feuer, um mir einen dunklen Weg zum Ziel zu bahnen.

Der Samurai Yauske hingegen ist der Mann fürs Grobe. Statt Feinde unbemerkt zu eliminieren, rennt er lieber mit dem Kopf durch die Wand – wortwörtlich. Im Sprint durchbricht Yasuke verschlossene Türen und sonstige Barrikaden. Das sieht sehr lustig aus.
Seine Stärken hat er dementsprechend nicht im Schleichen, sondern im offenen Kampf – dank schwerer Rüstung und grossen Waffen kann er viel einstecken und austeilen.

Die Steuerung beider Charaktere sollte «Assassin's Creed»-Fans bekannt vorkommen. Parcours- und Klettersegmente werden halbautomatisch abgespult und sehen dank flüssiger Animationen unheimlich cool aus. In manchen Situationen hätte ich mir aber etwas mehr Kontrolle über die Spielfiguren gewünscht.
Im offenen Kampf finde ich es frustrierend, dass einige Spezialattacken nicht immer zuverlässig ausgelöst werden. Befindet sich ein Gegner beispielsweise auf einer Treppe über mir, läuft die Animation bestimmter Angriffe oft ins Leere. Sehr ärgerlich.

Trennungsschmerz
Grundsätzlich gefällt mir das Aufteilen des Action- und Schleich-Gameplays auf zwei spielbare Charaktere. Das erlaubt es dem Game, wieder einen grösseren Fokus auf Stealth zu legen – ein Aspekt, der in vergangenen «Assassin's Creed»-Ablegern zunehmend vernachlässigt wurde.
In der Praxis jedoch führt die Trennung der Gameplay-Systeme jedoch zu einigen nervigen Momenten. Dies, weil die Nachteile von Naoes und Yasukes Spielstilen deren Vorteile in einigen Situationen überschatten.

So weist Naoe im offenen Kampf massive Nachteile auf, wohingegen Yasuke im Klettern und Stealth kaum zu gebrauchen ist. Entscheide ich mich in einer Mission für einen der Charaktere, kann ich nicht mehr wechseln. So gerate ich zum Beispiel mit Naoe immer wieder in Action-orientierte Situationen, die offensichtlich nicht für sie, sondern für Yasuke konzipiert wurden.
Immerhin kann ich in der offenen Spielwelt jederzeit den Charakter wechseln – vorausgesetzt ich befinde mich nicht im Kampf oder einer anderen gefährlichen Situation. Steht der tollpatschige Yasuke vor einer Kletteraufgabe, die er nicht bewältigen kann, versucht es halt Naoe. Schade nur, werden die Wechsel jeweils von nervigen Ladezeiten begleitet.

Bei der Trennung der Gameplay-Extreme hätte ich mir zudem mehr Tiefgang pro Mechanik gewünscht. Der neue Fokus auf Schatten im Stealth-Gameplay ist zwar cool, aber keine Revolution. Im Gegensatz zu vergleichbaren Japan-Games wie «Ghost of Tsushima» oder auch «Rise of the Ronin» vermisse ich zudem spannendere Stealth-Gadgets in Naoes Shinobi-Repertoire.
Relativ simpel ist auch Yasukes Action-Gameplay. Das ist mit dem wuchtigen und brutalen (!) Kampfstil des riesigen Samurais zwar verdammt geil inszeniert, aber insgesamt zu simpel. Daran ändert auch die hohe Bandbreite an Waffen (unter anderem Katanas, Knarren und Speere) nichts. Die meisten Gegner zermalme ich mit simplem Draufhauen (oder Ballern) und den übermächtigen Spezialattacken – wenn sie denn mal funktionieren und nicht ins Leere laufen.

Upgrades und Ressourcen
Zwischen den Missionen kehre ich immer wieder in Naoes und Yasukes Versteck zurück. Das baue ich im Spielverlauf mit neuen Einrichtungen wie einer Schmiede und einem Dojo aus. Diese erlauben es mir, neue Upgrades für Rüstungen und Waffen herzustellen.
Im Versteck kann ich sogar Charaktere, die ich auf meinem Abenteuer kennenlerne, ausbilden und rekrutieren. Diese setze ich im Kampf quasi als Spezialattacke ein. So erscheint beispielsweise die Sprengstoffexpertin Katsuhime auf Knopfdruck und ballert an meiner Seite feindliche Soldaten nieder.

Quelle: Ubisoft
Für das Ausbauen meiner Basis und das Freischalten neuer Skills benötige ich viele Ressourcen und Kenntnispunkte. Beides erhalte ich, indem ich die Spielwelt erkunde, feindliche Burgen infiltriere oder sonstige Nebenaktivitäten bewältige.
Das bisweilen anstrengende und Grind-lastige Looten und Sammeln von Kenntnispunkten dient als gute Substitution für meine abnehmende Entdeckungsfreude. Soll ich wirklich nochmal eine Burg infiltrieren? Eigentlich habe ich keinen Bock, aber dort gibt es viele seltene Ressourcen, die ich für meine Basis brauche. Soll ich wirklich nochmal einen Schrein besuchen? Ich will nicht mehr, aber ich würde gerne noch diesen einen speziellen Skill für Naoe freischalten.

Nach rund 30 Stunden Spielzeit habe ich alles freigeschaltet, was ich freischalten will. Danach ist Schluss mit Ressourcensammeln und Nebenaktivitäten. Ich konzentriere mich nur noch auf die Hauptquest und versuche mich trotz repetitiver Missionsstruktur mit häufigen Wechseln zwischen Naoe und Yasuke zu motivieren.
Schade, bietet eine der schönsten offenen Spielwelten aller Zeiten nicht ein bisschen mehr Substanz. So verkommt das historische Japan mit zunehmender Spielzeit zu einer leblosen und repetitiven Kulisse.
«Assassin's Creed Shadows» ist ab dem 20. März für PS5, Xbox Series X/S und PC erhältlich. Das Spiel wurde mir zu Testzwecken von Ubisoft für die PS5 (Pro) zur Verfügung gestellt.
Mehr über das Thema reden wir in der aktuellen Folge des Tech-telmechtel-Podcasts
Fazit
Viel Wiederholung vor einer unglaublich schönen Kulisse
Der wahre Star von «Assassin's Creed: Shadows» ist die visuell beeindruckende Spielwelt. Sie überzeugt mit vielen Details, wunderschönen Wettereffekten und wechselnden Jahreszeiten. Es ist die vielleicht schönste offene Spielwelt, die ich je erlebt habe.
Leider bietet diese spektakuläre Kulisse trotz solider Gameplay-Basis nur wenig Substanz. Repetitive Missionen, langweilige Nebenaktivitäten und eine halbgare Story lassen mich insgesamt unbefriedigt zurück.
Pro
- technisch eindrucksvolle Spielwelt
- solides, schön inszeniertes Stealth- und Action-Gameplay
Contra
- Trennung zwischen Stealth- und Action-Gameplay nicht optimal gelöst
- repetitive Missionen und Open-World-Aktivitäten

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Meine Liebe zu Videospielen wurde im zarten Alter von fünf Jahren mit dem ersten Gameboy geweckt und ist im Laufe der Jahre sprunghaft gewachsen.