Akkulaufzeit einer Kamera: Wer misst, misst Mist
Es gibt ein standardisiertes Verfahren, um die Akkulaufzeit einer Kamera zu messen. Leider hat die Methode auch ihre Schwächen. Eine Vergleichbarkeit über alle Marken und Kameratypen hinweg gibt es nicht.
Videos brauchen mehr Strom als Fotos. Aufnahmen mit Blitz brauchen mehr Strom als ohne. Schiesst du ganz schnell viele Fotos, kannst du mit einer Akkuladung mehr Aufnahmen machen als wenn zwischendurch immer einige Minuten verstreichen. Und so weiter. Je nachdem, wie du die Kamera verwendest, hält der Akku mal länger, mal weniger lang.
Es ist darum wenig aussagekräftig, wenn ein User oder ein Tech-Journalist schreibt, dass er dies und das geknipst und der Akku für 500 Fotos gereicht habe. Um die Akkulaufzeit verschiedener Kameras miteinander zu vergleichen, braucht es ein standardisiertes Testverfahren. Und dieses Verfahren gibt es: Der CIPA-Standard.
Doch dieser Standard hat leider auch so seine Macken.
Der Akkutest nach dem CIPA-Verfahren
Die CIPA (Camera & Imaging Products Association) ist die japanische Vereinigung der Hersteller von Kameras und anderer Foto-Hardware (Objektive, Filter usw). Sie definierte 2003 ein Testverfahren, mit dem die Akkulaufzeit gemessen werden sollte.
Einige wichtige Punkte des Verfahrens:
- Grundsätzlich sollte der Test mit den Standardeinstellungen vorgenommen werden.
- Jede zweite Aufnahme muss mit Blitz gemacht werden.
- Nach jeder Aufnahme muss der Zoom-Motor des Objektivs in voller Länge bewegt werden, also vom maximalen Weitwinkel zum maximalen Tele oder umgekehrt
- Der Hauptbildschirm soll möglichst immer eingeschaltet sein und als Sucher benutzt werden
Der Test besteht aus folgender Prozedur:
- Einschalten
- 30 Sekunden Zeit für Zoom, Blitz ein/aus und andere Einstellungen, sofern nötig
- Foto machen
- wieder 30 Sekunden Zeit für Operationen
- nächstes Foto machen
- bei jedem 10. Foto wird die Kamera aus- und wieder eingeschaltet
Das ganze wird so lange wiederholt, bis sich die Kamera wegen niedrigem Akkustand ausschaltet. Es ist erlaubt, sie danach wieder einzuschalten und bis zum endgültigen Aus weiterzubetreiben, falls dies möglich ist.
Die Probleme des Standards
Bei dieser Methode gibt es ein paar offensichtliche Probleme. Kameras, die keinen Blitz haben, sind im Vorteil: In diesem Fall werden einfach alle Aufnahmen ohne Blitz geschossen. Einen ähnlichen Vorteil haben Kameras ohne Zoom.
Ausserdem ist nicht definiert, wie stark der Blitz eingestellt sein muss. In der Automatik verbraucht der Blitz je nach Situation ziemlich viel oder fast keinen Strom.
Im Jahr 2003, als das Verfahren definiert wurde, gab es noch keine spiegellosen Systemkameras und nur wenige digitale Spiegelreflexkameras. Das CIPA-Verfahren ist eindeutig auf Kompaktkameras gemünzt.
Heute wäre ein anderes Verfahren sicher sinnvoller. Doch jede Änderung der Methode würde dazu führen, dass sich Kameras früherer Jahre nicht mehr mit aktuellen Modellen vergleichen lassen.
Das grösste Problem ist aber, dass die Kameras von den Herstellern selbst getestet werden. Und offensichtlich testen nicht alle Hersteller gleich. Am auffälligsten zeigt sich das bei den Spiegelreflexkameras. Canon hat bei vergleichbaren Spiegelreflexkameras viel schlechtere Werte als Nikon. Beispiel: Die Canon EOS 5D IV schafft laut Hersteller 900 Fotos mit dem Akku LP-E6N (1865 mAh), Nikon dagegen mit einem ähnlich grossen Akku (1900 mAh) sagenhafte 1840 Fotos.
Dass Prozessoren, Sensoren oder Bildschirme bei Nikon viel effizienter wären, ist ausgeschlossen, denn bei den spiegellosen Kameras haben Canon und Nikon recht ähnliche Werte. Canon ist sogar etwas besser. Beispiel: Die Canon EOS R kommt auf 370 Aufnahmen (Akku 1865 mAh), die Nikon Z 6 auf 330 Aufnahmen (1900 mAh).
Seltsame Angaben bei Spiegelreflexkameras
Der Sucher einer Spiegelreflexkamera funktioniert ohne Strom. Fotografierst du hauptsächlich über den Sucher, reicht ein Akku wesentlich länger als bei einer spiegellosen Kamera. Das CIPA-Reglement schreibt aber vor, dass der Monitor als Sucher verwendet werden muss. Bei Spiegelreflexkameras nennt man das Live View.
Bei Spiegelreflexkameras kann man allerdings argumentieren, dass Modelle vor 2009 den Monitor gar nicht als Sucher verwenden können und dass neuere Kameras, die das können (aber nicht müssen), im Nachteil sind. Die Vergleichbarkeit wäre dahin.
Daher war meine erste Vermutung, dass Nikon den Test ohne Live View durchführt und Canon mit.
Bei Nikon ist tatsächlich nachzulesen, dass Live View nicht verwendet wird. Nikon gibt dies zum Beispiel in einer Fussnote im Benutzerhandbuch der D850 an. Erstaunlicherweise macht aber auch Canon in den Spezifikationen der 5D Mark IV die Randbemerkung: «Aufnahmen über den Sucher.»
Beide Konzerne verwenden also kein Live View bei der Messung. Dies klärt immerhin, warum Spiegelreflexkameras generell viel bessere Werte haben als spiegellose Systemkameras. Rätselhaft bleiben hingegen die grossen Unterschiede zwischen Canon und Nikon.
Selber messen?
Ganz egal, ob es nun um Akkutests, CPU-Benchmarks oder was auch immer geht: Ich finde es grundsätzlich problematisch, wenn die Hersteller selbst Performance-Tests durchführen. Dafür bräuchte es eine unabhängige Prüfstelle.
Theoretisch könnte ich selbst eine Canon- und eine Nikon-Kamera nach dem CIPA-Verfahren testen und mit den Herstellerangaben vergleichen. Leider sehe ich keine Möglichkeit, den Test korrekt zu automatisieren. Bei Nikon lässt die automatische Intervallaufnahme kein SLR-Live-View zu. Bei Canon weiss ich es nicht. Ausserdem müsste die Kamera nach jedem zehnten Bild ausgeschaltet werden. Und in meinem Fall, da die Kamera einen Blitz hat, auch den ständig ein- und ausschalten. Reicht der Akku für 1200 Bilder, wäre ich pro Kamera 10 Stunden lang mit stupiden Testaufnahmen beschäftigt. Das tu ich mir nicht an.
Hingegen plane ich einige andere Tests, mit denen ich herausfinden will, wie viel Strom die verschiedenen Operationen einer Kamera benötigen. Stay tuned! Du kannst mir als Autor folgen (Button im Autorenprofil), dann wirst du per Mail über neue Beiträge benachrichtigt.
Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere.